25,5 Stunden Schiffsfahrt vor mir
liegend, bin ich an diesem Morgen froh, dass meine Erkältung
tatsächlich in Rekord-Tempo abgeklungen ist. Ich würde mich zwar
noch nicht als Top-Fit bezeichnen, aber im Vergleich zu gestern fühle
ich mich überraschend gut.
Als ich dann vollbepackt vor der gerade
einfahrenden vollbepackten U-Bahn stehe, fällt mir ein, dass ich
vorher mal hätte checken können, wann an diesem Bahnhof die "Rush
Hour" ist, um eventuell etwas früher und stressfreier fahren zu
können. Aber nun ist es schon zu spät und so schiebe ich mich mit
Reisetasche, Rucksack und einer großen Tüte als letzter in die
Bahn. Die Tür schließt gerade so und von hinten fangen schon die
ersten an irgendwie an mir rumzuschieben.
Zum Glück bin ich aber wenigstens soweit vorbereitet, dass ich eine Bahn erwählt habe, bei der ich nicht umsteigen muss. So gelange ich dann in geplanter Zeit etwas verschwitzt tatsächlich zum Fähren-Terminal.
Nach Ausfüllen der Bordkarte würde
ich mich gern mal etwas erleichtern. Aber wohin mit dem ganzen
Gepäck? Mit aufs Urinal? Unmöglich! In der Nähe der Toillette
abstellen? Etwas schwer einsehbar und daher Diebstahlgefahr, soweit
in Japan überhaupt vorhanden, zu hoch. Also die brutale Variante.
Alles in die Mitte der Wartehalle, in der Hoffnung, dass sich selbst
der dreisteste Dieb nicht traut von dort etwas zu entfernen. Und
tatsächlich ist alles noch da, als ich zurückkehre.
Nach etwas Warterei und dem je nach Bordkarten-Nummer geordneten Anstehen ist es dann endlich soweit und ich darf mein schweres Gepäck an Bord schleppen. Ich hätte es auch aufgeben können, aber das kostet ne Kleinigkeit und ich bin so verdammt sparsam.
C-Deck! Die billigste Reisemöglichkeit. Ich bin schon auf etwas effiziente Platzverteilung vorbereitet, aber dass die Abstände zwischen den Schlafmatten dann doch so gering sind, überrascht mich etwas. Was solls, sind nur 25,5 Stunden!
Die zwei älteren Herren neben mir, fangen sofort an, Alkohol auszupacken und eine kleine Privatparty zu veranstalten, in welche ich gleich mit einbezogen werde. "Hello, how are you?". Ähm, ja, ich hatte mir ja schon meine "Japanese only" Regel zurechtgelegt und erzähle erstmal einen von wegen ich kann nur Deutsch und Japanisch. Tatsächlich greift der kleine Trick und ab jetzt geht's auf Japanisch weiter. Den Alkohol lehne ich jedoch ab, da ich keine Erfahrung mit langen Schiffsreisen habe und auch vorher etwas stärkere Medizin gegen eventuelle Übelkeiten genommen habe. Wobei "ablehnen" vielleicht das falsche Wort ist, ich muss die Angebote richtig abwehren und gefühlte tausendmal wiederholen, dass es zwar sehr nett von ihnen ist, ich aber definitiv nichts alkoholisches trinken möchte.
Die beiden sind richtige Draufgänger und beziehen weitere Nachbarn in die Party ein. Unter anderem eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Den beiden Kleinen sieht man sofort an, dass es "hâfu" sind. Das Wort stammt vom englischen "half", also halb, und wird für Kinder benutzt, deren Eltern unterschiedliche Nationalitäten haben. In diesem Fall japanische Mutter und amerikanischer Mann, letzter ist jedoch nicht anwesend.
Ich selbst will meinem Körper etwas
Ruhe gönnen und halte mich bei der Feierei etwas zurück, schlafe,
lerne und schaue TV-Serien auf meinem Rechner.
Bei einem kleinen Ausflug an Deck werde ich von einer Horde Teenager umzingelt, die wissen wollen wo ich herkomme. Mit meiner Antwort "doitsu", also Deutschland, sind sie höchstzufrieden und brechen gleich in Jubel-Stürme aus. Es folgt eine Frage nach der anderen. Ob ich Fussball mag, ob ich Kagawa und Hasebe kenne, welcher mein Lieblingsverein ist und so weiter. Sie lieben Deutschland und deutsche Fußballvereine. Ohne Gegenfrage meinerseits fangen sie an eine Menge Spieler der deutschen Nationalmannschaft aufzuzählen, um dann wieder in Sprünge und Jubelstürme ob der tollen deutschen Fussballspieler auszubrechen. Ich hoffe stark, dass die Jungs nicht herausfinden, wo mein "Quartier" an Deck ist, da ich sonst wohl keine ruhige Minute mehr haben werde.
So vergeht die Zeit wie im Flug und ich kann dank Ohropax und einer ordentlichen Portion frisch vom Automaten gezogenen "Cup-Noodles" sogar, trotz der Enge, meine halbwegs erholsame Nachtruhe antreten.
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